Als Verein für Bewegungsförderung und Gesundheitssport (VBGS) gibt es uns seit November 1989. Damals taten sich rund 40 Kinder mit und ohne Behinderung, Jugendliche und Eltern zusammen, um mit einem neuen Verein eine Lücke in der Mülheimer Kinder- und Jugendarbeit zu schließen. Das Hauptanliegen hat sich seitdem nicht geändert: Integration praktizieren.
Grundsätzlich stehen alle Angebote des Vereins Menschen mit und ohne Behinderung offen, ja, wir wünschen uns sogar möglichst gemischte Gruppen. Um unserem Ziel Integration näher zu kommen, fahren wir zweigleisig. Zum einen haben wir ein fixes Angebot wöchentlicher Sportstunden, das sich im Wesentlichen aus Bewegungsspielen in der Turnhalle und Schwimmstunden zusammensetzt. Zum anderen veranstalten wir kursweise oder in bestimmten Abständen andere Unternehmungen. Dies sind offene Gruppen (z.B. Tanzkurse), bei denen zum Teil auch die Eltern dabei sind.
Regelmäßig und im festen Gruppenverband bieten wir Gymnastik und Bewegungsspiele für Kinder und Jugendliche in verschiedenen Altersstufen an. In Spaß und Spiel steckt jedoch auch immer ein ernster Kern, der Gleichgewichtssinn, Selbständigkeit und auch die individuelle Leistungsfähigkeit vermitteln und schulen möchte. Dabei hat jeder seinen eigenen Maßstab: Erfolg und Fortschritt sind individuell verschieden.
Kinder brauchen keine Rettungsringe
Zu viel und zu fett essen viele Menschen. Die Folge: Kinder und Jugendliche wiegen mehr, als gesund für sie ist. Das wirkt sich in der Wachstumsphase fatal aus, weil bereits im Kindesalter die Weichen für gesundheitliche Probleme gestellt werden. Der VBGS hat sich mit Partnern in Mülheim zusammengetan, um dieses Problem anzugehen. Zusammen mit Krankenhäusern, Mülheimer Kinderärzten und Psychologen, dem Rotary-Club Schloß Broich und der Evangelischen Familienbildungsstätte läuft das Projekt „Kinder brauchen keine Rettungsringe“. In kompakten Kursen lernen Kinder und Eltern dabei eine Menge über Ernährung, Bewegung, ihren Körper und dass Gesundheit Spaß machen kann. Die Teilnehmer werden Mitglied im VBGS und nehmen an den regulären Sportstunden teil – ebenfalls eine Form der Integration.
Älter sind die Teilnehmer unserer Gruppe „Spiel und Sport bei Diabetes“, die sich einmal in der Woche trifft. Unter Berücksichtigung der besonderen Bedingungen für Zuckerkranke wird hier Sport getrieben, aber auch Geselligkeit gepflegt.
Neben diesen regelmäßigen Stunden haben wir eine Vielzahl anderer Aktivitäten. So gehen wir alle vier Wochen kegeln und besuchen jeden 1. Freitag im Monat den „Tanz ohne Grenzen“ im Ringlokschuppen in Mülheim. Diese integrative Disco versammelt Behinderte und Nicht-Behinderte, die Spaß an Musik und Tanzen haben. Eigentlich als einmalige Veranstaltung geplant, wuchs die Disco auf unser Drängen und gegen Vorbehalte des Betreibers zu einer regelmäßigen Einrichtung. Mittlerweile kommen Besucher aus allen umliegenden Städten an den Disco-Freitagen nach Mülheim.
Seit Juni 2002 kann sich der VBGS in großzügigen Räumlichkeiten an der Speldorfer Frühlingstraße ausbreiten. Dort haben wir nun eine Beratungs- und Begegnungsstätte, die nicht nur unseren Vereinsmitgliedern, sondern allen Interessierten und Betroffenen offensteht. Eingang und alle Einrichtungen sind ebenerdig und barrierefrei ausgebaut - in Eigenregie und mit viel Engagement und Unterstützung durch Sponsoren. Im neuen Büro hat der VBGS auch einen Arbeitsplatz geschaffen: Lukas Kubin, selbst mit Behinderung, arbeitet als Bürokraft. Außerdem haben wir einen Gruppenraum für Veranstaltungen und - etwas ganz Besonderes - ein Internet-Café mit Spezial-Tastaturen für unterschiedliche Behinderungsarten. So können an vier Plätzen Menschen mit und ohne Behinderung die Welt von Computer und Internet kennenlernen und nutzen.
Wir sind ein unternehmungslustiger Verein. So besuchen wir Fußballspiele, genießen auf Einladung des Mülheimer Yacht-Clubs regelmäßig tolle Ruhr-Bootsfahrten und waren zum Beispiel schon mehrfach bei der „ReHa“ in Düsseldorf mit einer Kindergruppe zu Gast. Beim „Sport-Ehrentag“ sind Vorstand und auch Aktive des VBGS regelmäßig zu finden. 1997 und 2004 wurden verschiedene Sportler für ihre Leistungen geehrt.
Auch nach außen hin präsentiert sich der Verein einer breiten Öffentlichkeit. Beim jährlichen „Lauf zu Tengelmann“ gestalteten wir stets das „Kinderland“, eine Aktions- und Spielfläche mit Wettbewerbscharakter. Das „Mülheimer Altstadtweinfest“ ist eine Veranstaltung des VBGS, jedes Jahr am zweiten Wochenende im September. Dort verbinden wir unseren Anspruch der gesellschaftlichen Integration behinderter Menschen mit einem Extra-Segen für die Jugendkasse: Denn der gesamte Erlös kommt unseren Kindern und Jugendlichen zugute.
Mit dem Allgäu pflegt der VBGS ein langjährige Verbundenheit. Dort, in Unterjoch, sind wir seit Jahren gute Bekannte, denn seit Bestehen des Vereins kommen wir jeden Winter zum Ski-Lehrgang. Wir bieten jedes Jahr im Januar oder März eine Ski-Freizeit für Jugendliche an, die auch rege genutzt wird. Er ist Treffpunkt für Menschen mit und ohne Behinderung, Krebskranke, Rolli-Fahrer und andere skibegeisterte Menschen. Hier nutzen wir neben dem Skifahren auch die Gelegenheit, mit anderen Teilnehmern Selbstständigkeit zu trainieren. Unterstützung bekommen wir dabei von erfahrenen Skilehrern, die der „Stiftung Sicherheit im Skisport“ (SIS) sowie z. T. der Bundeswehr angehören. Der Ski-Lehrgang ist ein besonders schönes Beispiel für gelungene Integration im Freizeit-Bereich: Nicht nur die Einwohner des Dorfes Unterjoch kommen unseren Teilnehmern immer sehr freundlich entgegen, auch die Skilehrer und die Leute auf der Piste behandeln uns nicht anders als andere Skiläufer. Die jahrelange Übung vieler Mitfahrer ist derartig gut, dass sich mehrere Läufer des VBGS 1996 bei den „Special Olympics“ im österreichischen St. Anton und 2003 in Unterjoch bei „Nationalen Special Olympics Games“ erfolgreich zum Teil sogar ganz nach vorne laufen konnten: Wir kamen mit mehreren Medaillen nach Hause.
Unsere vielfältigen Bemühungen im Nachwuchsbereich waren der Dresdener Bank und dem Deutschen Sportbund 1998 den Preis „Grünes Band für vorbildliche Talentförderung im Verein“ wert. Diese höchste Auszeichnung im deutschen Sport brachte uns neben einer willkommenen Förderprämie auch viel Motivation, unseren erfolgreichen Weg weiterzugehen.
Seit vielen Jahren bewährt sich zudem ein Projekt mit einer weiterführenden Mülheimer Schule. Im Rahmen der „Gestaltung des Schullebens und Öffnung von Schule“ (GÖS) bietet die Gesamtschule Saarn ihren Schülern im Wahlpflichtbereich II in der 9. und 10. Klasse an, in verschiedenen Einrichtungen mit geistig und/oder körperlich Behinderten zu arbeiten. Jede Woche kommen diese jungen Menschen, in der Mehrheit Mädchen und als Praktikantinnen in unsere Sportstunden. Auch bei vielen Skifreizeiten waren jeweils Schüler als Helfer dabei. Hier wurde besonders sichtbar, was die betreuenden Lehrer feststellen: Die Schüler lernen, sich auf das Anderssein einzulassen, bauen Berührungsängste ab und machen oft eine sichtbare Wandlung durch. Die Verantwortung, die sie mit ihrer Aufgabe bekommen, und die Tatsache, von den zu Betreuenden als Ansprechpartner ernst genommen zu werden, führt oft zu einem verbesserten Sozialverhalten. Viele Schüler engagieren sich mehr, als zur Erfüllung des Stundenplanes notwendig und informieren sich weiter. Sie setzen sich ernsthaft mit sozial-pflegerischen Berufen auseinander.
Für uns als Verein bedeuten diese Helfer, die sehr engagiert und bewusst bei der Sache sind, eine große Hilfe. Sie und auch unsere Kinder und Jugendlichen nehmen aus diesen Stunden viele wertvolle Eindrücke mit.
Der VBGS ist kooperatives Mitglied der Arbeiterwohlfahrt und Mitglied der Deutschen Olympischen Gesellschaft sowie bei Special Olympics Deutschland. Außerdem gehört der VBGS zum BSNW und DBS. Mit all diesen Organisationen arbeitet der VBGS gut und regelmäßig zusammen.
Insgesamt hat sich der VBGS sehr gut etabliert. Die Lücke, die wir zu schließen angetreten waren, ist bedeutend kleiner geworden. Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung finden in Mülheim an der Ruhr jetzt einen Sportverein, in dem die Übungsleiter mit den speziellen Anforderungen von Behinderten vertraut sind. Wir bemühen uns um Integration und erziehen zu Selbstbewusstsein, so weit dies eben geht. Bei allem (sportlichen) Erfolg ist das jedoch eine Schlacht, die jeder auch täglich wieder für sich selbst schlagen muss.